Das Geheimnis im Journalismus
Journalistinnen und Journalisten sollen uns informieren und aufklären. Zu diesem Zweck müssen sie Hintergründe recherchieren, unangenehme Fragen stellen, Geheimnisse aufdecken – kurz: investigativ arbeiten. Aber wo liegen die Grenzen? Wie weit sollten der Schutz und die Freiheiten der vierten Gewalt gehen? Und gibt es Geheimnisse, die nicht in die Medien gehören? Investigativ-Journalist David Schraven hat eine lange Liste mit Geheimnissen, die er noch lüften will und braucht vor allem eines, um seinen Job auszuüben: mehr Zeit. Wir haben den rastlosen Aufklärer zwischen Schreibtisch und Außenrecherche getroffen.
David Schraven, Journalist
Der 1970 im Ruhrpott geborene Journalist gehört zu den Mitgründern des gemeinnützigen Recherchezentrums Correct!v und fungiert dort heute als inhaltlicher Geschäftsführer. Stationen seiner publizistischen Laufbahn waren u. a. die Süddeutsche Zeitung, Die Welt, das Time-Magazine und das Ressort Recherche der Funke-Mediengruppe.
Prämiert wurden neben vielen anderen Arbeiten die grafische Reportage „Weisse Wölfe“, die neue Zusammenhänge im Fall der rechtsterroristischen Gruppe NSU aufdeckte. Auch seine Recherchen zum Absturz der Air Malaysia Maschine MH17 über der Ukraine erlangten internationale Aufmerksamkeit. Schraven scheint nicht zu übertreiben, wenn er sagt: „Wenn ich genug Zeit habe, kriege ich alles raus.“

Geheimnisse aufdecken – da, wo es weh tut
Die Palette seiner verdeckten Recherchen reicht von Umweltskandalen über Hygienebedingungen in deutschen Krankenhäusern bis hin zu Mafiastrukturen im Baugewerbe und der Frage, wer das Flugzeug MH17 über der Ukraine abgeschossen hat. Kein Thema ist zu heiß und scheinbar kein Geheimnis vor Schraven sicher. Als „Wächterjournalismus“ möchte David Schraven seine Arbeit verstanden wissen. Im Redaktionsstatut des von ihm mitgegründeten Recherchenetzwerks Correct!v heißt es: „Wir sind journalistische Aufklärer, gehen dahin wo’s weh tut und fremdeln mit der Macht.“
Die Erkenntnisse, die David Schraven bei seinen Recherchen gewinnt, sollen der Gesellschaft dienen, im besten Fall „die Notwendigkeit zum Handeln verändern“. So weit, so gut. Aber um welchen Preis wird diese Aufklärungsarbeit tagtäglich verrichtet? „Der Schutz der Quelle steht für mich an oberster Stelle“, betont David Schraven im Gespräch. Er hält aus diesem Grund manchmal Informationen zurück, entscheidet sich auch mal gegen die Veröffentlichung einer Story. Ein hochsensibler Umgang mit persönlichen Daten und der Gebrauch von Verschlüsselungstechniken sind ohnehin selbstverständlich. Offen bleibt, wie sich Journalistinnen und Journalisten selbst schützen können, wenn sie mit ihrer Arbeit doch permanent in der Öffentlichkeit stehen.
„Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keinen Trick, keinen Schwindel, kein Laster, das nicht von Geheimhaltung lebt.“ Joseph Pulitzer
Eine alte Liebe?
Doch diese Regelungen zum Quellenschutz haben viele Lücken und werden immer wieder neu verhandelt. Auch deshalb steht Deutschland in der Weltrangliste der Pressefreiheit aktuell nur auf Rang 16. Für Furore sorgten in jüngster Zeit zum Beispiel die Anklagen wegen Landesverrats und der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen, die gegen Journalisten des Blogs netzpolitik.org erhoben wurden – seit 30 Jahren der erste Fall, in dem ein Generalbundesanwalt gegen Journalisten und ihre Informanten vorging.
Neben staatlichen Stellen sind es zunehmend Bürgerinnen und Bürger, die die Befugnisse der Medienvertreterinnen und -vertreter und die Relevanz ihrer Aufklärungsarbeit infrage stellen. Verliert die vierte Gewalt also an gesellschaftlicher Zustimmung? David Schraven kennt noch eine andere Seite. Aus finanziellen Gründen gäbe es immer weniger guten Wächterjournalismus. Zugleich steige in der Bevölkerung die Sehnsucht nach Aufklärung und Information. „Das ist wie mit einer alten Liebe. Oft merkt man erst, dass man so richtig verliebt ist, wenn der andere einen verlassen hat.“

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