Das Geheimnis in der Kirche
Wem vertrauen wir unsere dunkelsten Geheimnisse an? Dem besten Freund? Oder der Therapeutin? Wer sucht noch Entlastung in Kirche und Beichtstuhl? Der Münchener Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler kennt viele Geheimnisse und hat schon von jeder Sünde gehört. Er nimmt uns mit in den Beichtstuhl.
Rainer Maria Schießler, Pfarrer
Der 1960 geborene katholische Geistliche ist seit 1993 Pfarrer in der Münchener St. Maximilian-Kirche. Das Theologiestudium absolvierte er in München und Salzburg, die Priesterweihe erfolgte 1987 in Freising.
Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit „zwischen Büro und Krankenbett” ist er Gastgeber der Sendung „Pfarrer Schießler – Gäste & Geschichten“ beim Bayrischen Rundfunk. In seinem 2016 erschienenen literarischen Erstlingswerk „Himmel, Herrgott, Sakrament. Auftreten statt austreten“ setzt er sich für ein progressives Verständnis der Institution Kirche ein.

Weg vom Hokuspokus
Auch wenn viele Vorgänge im Vatikanstaat nach wie vor geheimnisumwittert sind, der Skandal um die Vertuschungen des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst gerade einmal drei Jahre zurückliegt und die Erforschung und Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche noch andauert: Kirche und Papst waren noch nie „so gläsern und ergreifbar wie heute“, ist sich der katholische Pfarrer Rainer Maria Schießler sicher. Von der Verwaltung bis zum priesterlichen Privatleben sei alles durchschaubar, frei von jeder Aura des Geheimnisvollen.
„Geheimnis ist Instinkt der Phantasie.“ Bettina von Arnim
Die Beichte verlässt den Beichtstuhl
Diese Zeiten, das ritualisierte Beichten im Akkord, kniend und im Beichtstuhl, sind längst vorbei. Auch unter den Geistlichen. Laut Seelsorgestudie beichtet jeder zweite katholische Pfarrer nur noch einmal im Jahr oder seltener. Stirbt die Beichte also aus? Verliert die Kirche ihre Bedeutung als Ort der Entlastung von Geheimnissen?
Pfarrer Schießler hält dagegen. Die Beichte verschwindet nicht, sondern ändert Ort und Form. Heute wird überall gebeichtet: in der Kirchenbank, beim Gespräch im Park oder im Pfarrbüro. Aus einem kurzen ritualisierten Dialog sind lange Gespräche geworden, bei denen der Pfarrer auch immer wieder an Grenzen stößt, auf Therapeuten oder andere Instanzen und Hilfsangebote verweist.
Am Beichtgeheimnis hat sich dagegen nichts geändert. Es ist unverletzlich. Auch über den Tod des Beichtenden hinaus, sogar wenn Morde gebeichtet werden.

„Ich spürte den Auftrag, unser Familiengeheimnis zu lüften.“
Ines Geipel
Autorin
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„Das staatliche Geheimnis benötigt ein Ablaufdatum.“
Konstantin von Notz
Politiker
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„Ich hatte ein Gefühl dafür, was ich besser für mich behalte.“
Petra Balzer
Autorin, Coach, ehem. Sekretärin
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